Lambrecht, Nanny

Nanny Lambrecht
* 15.04.1868 in Kirchberg/Hsr.
† 01.06.1942 in Schönenberg/Sieg
Vater: Johann Mathias Lambrecht
Mutter: Anna Katharina, geb. Winn

Biografie

Anna Lambrecht, genannt Nanny, wurde 1868 in Kirchberg im Hunsrück geboren. Ihre beiden älteren Schwestern waren in den USA zur Welt gekommen, wohin die Eltern noch im Jahr ihrer Heirat 1854 ausgewandert waren. Der Vater hatte das Handwerk des Schuhmachers gelernt und betrieb in Boston, Philadelphia, zusammen mit seinen Brüdern einen Lederhandel. Die Auswanderung der Lambrechts war nicht von Dauer, sie kehrten nach Kirchberg zurück, wo der Vater mit 52 Jahren verstarb und die Familie mittellos zurückließ.

Nanny Lambrecht besuchte ein Lehrerinnenseminar in Xanten am Niederrhein und absolvierte eine zusätzliche Ausbildung in Belgien, um Französisch zu lernen. Im Jahre 1889 wurde sie an der zweisprachigen Schule in Malmédy in der damaligen preußischen Rheinprovinz angestellt. Dreizehn Jahre lang übte sie dort den Beruf der Volksschullehrern aus, der sie jedoch nicht befriedigte. Sie begann zu schreiben und ihre Erzählungen zu veröffentlichen. In Malmédy lernte sie ihre Lebensgefährtin, die Wallonin Fanny Bierens, kennen. Beide Frauen lebten bis zu Lambrechts Tod zusammen.

Sie verließen Malmédy und lebten ab 1904 in Aachen. Lambrecht etablierte sich als freie Schriftstellerin auf dem damals wachsenden katholischen Buch- und Zeitschriftenmarkt, bis sich an ihrem Hunsrück-Roman “Armsünderin” (1909) ein “katholischer Literaturstreit” entzündete. Dieser Literaturstreit bildete nur einen Teil einer größeren Kontroverse um die Stellung der Katholiken im protestantisch dominierten Deutschen Kaiserreich. Der Abdruck des Romans in der reformkatholisch orientierten Zeitschrift “Hochland” durch den Herausgeber Karl Muth erzürnte die papsttreuen, konservativen “Ultramontanen”. In der Folge blieb Nanny Lambrecht der katholische Buchmarkt verschlossen.

Im Mittelpunkt des Romans “Armsünderin”, der in und um Sohren spielt, steht eine junge Frau aus einer Familie von Kesselflickern, die vom Sohn eines wohlhabenden Bauern geschwängert wird und – von allen Dorfbewohnern abgewiesen – ihr Kind als unverheiratete Mutter zur Welt bringt. Diese Thematik war Teil der „sozialen Frage”, die um die Jahrhundertwende diskutiert wurde. Engagement für die sozial Schwachen und das Eintreten für die Emanzipation der Frau ziehen sich durch alle Werke Lambrechts, die mit ihrer stark regionalen Ausrichtung und langen Dialekt-Passagen der literarischen Heimatkunstbewegung zugerechnet werden können.

Neben dem Hunsrück (Romane “Armsünderin”, 1909; “Das Lächeln der Susanna”, 1918; Erzählung “Am Heiligenhaus” in der Novellensammlung “Allsünderdorf”, 1908) sind es die Westeifel und insbesondere die Region des Hohen Venn im heutigen Ostbelgien, wo ihre Geschichten angesiedelt waren. Nach dem Ersten Weltkrieg, den sie zunächst enthusiastisch begrüßt hatte, zog Lambrecht aus dem besetzten Aachen nach Bad Honnef. Sie veröffentlichte noch zahlreiche Romane und Erzählungen, zuletzt 1936 einen Roman, der einige Zugeständnisse an die nationalsozialistische Ideologie enthält. Im selben Jahr hörte sie auf zu publizieren und zog sich mit Fanny Bierens nach Schönenberg an der Sieg zurück, wo sie 1942 starb.

Literatur

  • Hajo Knebel, Der Hunsrück im Werk der Schriftstellerin Nanny Lambrecht, in: Hunsrücker Heimatblätter 8, 1968, S. 212-219.
  • Nanny Lambrecht, Die Brautfahrt und andere Erzählungen, hrsg. von Hajo Knebel im Auftrag der Stadt Kirchberg, Bergweiler 1992.
  • Christina Niem, Literatur und soziales Engagement. Nanny Lambrecht und ihr Hunsrückroman “Armsünderin”, in: Hunsrücker Heimatblätter 32, 1992, S. 222-231.
  • Christina Niem, Nanny Lambrecht (1868-1942). Eine unangepaßte Schriftstellerin. Soziales Engagement und literarische Erneuerung in der katholischen Kontroverse, Mainz 1993 (Studien zur Volkskultur in Rheinland-Pfalz, 16).

Dr. Christina Niem, Nieder-Olm
Heft 131 | Stand: 09/2006