Frank, Leopold

Leopold Frank
* 29.10.1873 in Prichsenstadt
† 07.09.1942 in Theresienstadt
Vater: Baruch Frank
Mutter: Babette, geb. Fleischmann

Biografie

Seit Januar 1899 betrieb der jüdische Kaufmann Leopold Frank in Simmern an der Ecke Marktstraße/Kirchgasse ein Textilgeschäft. Er führte Damen- und Herrenbekleidung, Weiß- und Wollwaren sowie Stoffe, später auch Schuhe. In der Simmerner Innenstadt waren jüdische Kaufleute damals keine Seltenheit; neben Leopold Frank gab es noch zwölf weitere jüdische Geschäftsinhaber. Dazu kamen noch zehn jüdische Viehhändler. 1925 lebten bei knapp über 3000 Einwohnern fast 100 Juden in der Stadt; sie gehörten zum Alltags- und Geschäftsleben dazu.

Leopold Frank entwickelte sich zu einer in der Simmerner Bürgerschaft hoch respektierten Persönlichkeit, die zahlreiche Ehrenämter übernahm. Nach dem Ersten Weltkrieg betraute man ihn mit dem schwierigen Amt des Vorsitzenden des Kreiskommunalverbandes Simmern. In dieser Eigenschaft kümmerte er sich um die gerechte Verteilung der knappen Lebensmittel. In der Olexhalle in Simmern (heute Standort eines Einkaufsmarktes) richtete er eine Zentralsammelstelle für Lebensmittel ein, von der aus die notwendigsten Güter in den gesamten Kreis Simmern transportiert wurden. Die Bewältigung dieser Aufgabe brachte ihm bei den kritischen Hunsrücker Bauern hohen Respekt ein. In seinen 1937 verfassten und 2000 als Buch veröffentlichten Lebenserinnerungen schreibt der Bauer Heinrich Weirich aus Nannhausen: „Dieser Jude hatte den Posten in ganz hervorragender und uneigennütziger Weise verwaltet, was ihm die Achtung der Bevölkerung einbrachte, die sogar heute noch, in der Zeit des Dritten Reiches, eine gewisse Geltung hat.“ (S. 94)

Leopold Frank war dann in den 20er bis Anfang der 30er Jahre Mitglied des Simmerner Stadtrates. Der damalige Bürgermeister Heinrich Meckel hatte hohes Vertrauen zu ihm. 1930 erstattete Peter Konrad, Mitarbeiter der städtischen Betriebswerke, eine Lohn- und Gehaltsbeschwerde gegen den Bürgermeister. Meckel betraute Frank mit der außerordentlichen Prüfung dieser Angelegenheit. Der korrekte Kaufmann prüfte die Bücher der Stadt, Lohn- und Gehaltslisten sowie Besoldungsverordnungen und erstattete der Stadtverordnetenversammlung im Januar 1931 einen Bericht, demzufolge Meckel und seiner Verwaltung kein fehlerhaftes Verhalten nachgewiesen werden konnte. Leopold Frank fühlte sich in Simmern wohl und akzeptiert. Als 1933 die Nationalsozialisten mit der Diskriminierung und Ächtung der Juden begannen, konnte er nicht fassen, dass in Deutschland und auch in Simmern, um dessen Gemeinwohl er sich seit über 30 Jahren verdient gemacht hatte, solches Unrecht geschah.

Selbst als bereits zahlreiche Juden Deutschland verlassen hatten und immer mehr Gesetze das Leben der Juden einschränkten und gefährdeten, blieb er in Simmern. 1935 übernahm er das Amt des Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde. Das machte ihn zum Angriffsziel der Nationalsozialisten, die in einer März-Nacht 1935 zwei seiner Schaufensterscheiben in der Marktstraße zerschlugen. Der anfänglichen Verspottung und Diskriminierung der Juden folgte der allmähliche Entzug der Lebens- und Geschäftsgrundlagen. Immer mehr christliche Mitbürger mieden den privaten und geschäftlichen Umgang mit Juden. Kauften Sie dennoch bei jüdischen Händlern ein, wurden sie an den ‚Judenpranger’ gestellt.

Mitte der 30er Jahre veröffentlichten die Simmerner Nationalsozialisten eine Liste unbescholtener Simmerner Bürger, die weiterhin bei Leopold Frank einkauften: „Der Pranger! Wer vom Juden, dem Todfeind des deutschen Volkes kauft, ist ein Judenknecht! […] Bei dem Juden Leopold Frank in Simmern/Hunsrück haben in jüngster Zeit noch gekauft.“ Es folgt eine Liste mit verschiedenen Namen Simmerner Familien, u. a. Drogerie Hoevel, Lebensmittelgeschäft Reuter, Konditorei Böhncke, Bäckerei Wallauer, Rechtskonsulent Sturm. Die jüdischen Händler versuchten, ihre Existenz zu retten, indem sie guten und vertrauenswürdigen Kunden bei anbrechender Dunkelheit Seiten- oder Hintereingänge öffneten. Am 18. Dezember 1937 starb Leopold Franks Ehefrau Babette. Und erst mehr als zwei Jahre später, im Jahr 1940, verkaufte er sein Geschäftshaus an den Kirchberger Textilhändler Heinrich Prinz und verließ Simmern. Für eine Auswanderung war es nun zu spät. Er ging nach Köln, von wo aus er im Juni 1942 in das Durchgangslager Theresienstadt deportiert wurde, wo er am 7. September 1942 starb.

Literatur

  • Karl Faller, Juden in Simmern, Simmern 1988.
  • Doris Wesner, Die Jüdische Gemeinde in Simmern/Hunsrück, Argenthal 2001.

Dr. Andreas Nikolay, Simmern
Heft 128 | Stand: 11/2005