† 27.12.1987 in Köln
Vater: Friedrich Jakob Grohé (Kaufmann und Landwirt)
Mutter: Maria Anna, geb. Ostien
Biografie
Die Eltern Josef Grohés betrieben in Gemünden neben einer kleinen Landwirtschaft einen Krämerladen und brachten so die vielköpfige katholische Familie – Josef war das neunte von dreizehn Kindern – über die Runden. Nach der Volksschule musste er im elterlichen Betrieb mithelfen, begeisterte sich fürs Militär und ließ sich als Fünfzehnjähriger für die Kriegsmarine mustern. Als er alt genug gewesen wäre, um in den Krieg zu ziehen, war dieser zu Ende.
Von 1919 bis 1922 absolvierte Grohé in Köln eine kaufmännische Lehre. Bereits als Lehrling suchte er den Kontakt zu völkischen Organisationen, bis er schließlich bei der 1921 gegründeten Ortsgruppe Köln der NSDAP landete, die seine politische Heimat blieb (Mitgliedsnummer 13340, Goldenes Parteiabzeichen). Nach der Wiederzulassung der NSDAP wurde er 1925 hauptamtlich in der Partei tätig, was ihn bald in Verbindung mit Robert Ley und Joseph Goebbels treten ließ. Zunächst kurzzeitig Geschäftsführer des Gaus Rheinland, gründeten der Gauleiter Ley und sein nunmehriger Stellvertreter Grohé den „Westdeutschen Beobachter“, als dessen Schriftleiter er sein demagogisches Talent ungehemmt entfalten konnte. Grohé beließ es nicht bei publizistischer Radikalität, sondern zog in vorderster Front in Straßen- und Saalschlachten. Bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 wurde er 121-mal wegen politischer Vergehen angeklagt. 1929 in die Kölner Stadtverordnetenversammlung gewählt, nutzte er deren Sitzungen, um sich an Kommunisten und am Oberbürgermeister Konrad Adenauer abzuarbeiten.
1931 gelang Grohé der entscheidende Karrieresprung. Der Gau Rheinland wurde aufgeteilt und der bisherige Gauleiter Robert Ley in ein anderes Amt berufen. Neue Gauleiter wurden Gustav Simon (Koblenz-Trier) und Josef Grohé (Köln-Aachen). Er verstärkte in der Folgezeit seine unter der Parole „Groß-Kampf“ laufenden Aktivitäten, attackierte von nun an neben Kommunisten und Juden auch den Klerus. Die Mitgliederzahl der NSDAP stieg um 50 Prozent. Konflikte mit Parteimitgliedern versuchte er gewohnheitsmäßig handgreiflich zu lösen, was ihn 1934 vor das oberste Parteigericht brachte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er, begünstigt durch die Machtergreifung, in seinem Gau bereits eine Art Alleinherrschaft errungen. Politische Gegner waren seit dem Frühjahr 1933 eingeschüchtert und innerparteiliche Konkurrenten weggebissen worden, jedoch nicht so erfolgreich, als dass er über seinen Gau hinaus hätte Karriere machen können. Grohé bemühte sich nicht um Volkstümlichkeit, sondern trat als respektfordernde Person auf.
Rückhalt in der Bevölkerung errang er, weil er sich erkennbar den wirtschaftlichen Aufschwung seines Gaues angelegen sein ließ und um den Ruf des forschen „Kümmerers“ bemüht war. Die alliierten Bombenangriffe stellten die Gauleiter seit 1942 vor neue Herausforderungen: Luftschutz, Bewirtschaftung der Daseinsvorsorge und zunehmend Evakuierungen der Bevölkerung. Selbst die heftigsten Luftangriffe vermochten es in Köln zunächst nicht, das Vertrauen der Bevölkerung in Grohés Katastrophenmanagement zu erschüttern, denn es gelang ihm immer wieder, den Ausgebombten eine Art Notversorgung zukommen zu lassen, wobei er auf den Besitz der deportierten Juden und die Arbeitsleistung von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen zurückgriff.
Ab dem Jahreswechsel 1944/45 wurde Grohé wie viele seinesgleichen endgültig von einem todbringenden Realitätsverlust befallen. Er verhinderte die rechtzeitige Evakuierung der Zivilbevölkerung und verließ am 5. März 1945 Köln in Richtung Mitteldeutschland, wo ihn im Juli die Briten verhafteten und an die Belgier auslieferten, die ihn 1948 nach Deutschland überstellten. Die Anklage vor dem zuständigen Bielefelder Gericht unterstellte ihm lediglich Kenntnisse von verbrecherischen Maßnahmen. Grohé bestritt neben einschlägigen Kenntnissen auch jede Beteiligung, was ihn aber nicht vor der Untersuchungshaft (Sept. 1949) bewahrte. In der Folgezeit hatte die Anklagebehörde Schwierigkeiten, Grohé das konkrete Ausmaß der Kenntnisse von oder gar Beteiligung an Verbrechen zu beweisen. Zudem machte sich nach Beendigung der Nürnberger Prozesse bei den Behörden wie in der Bevölkerung eine gewisse Aufklärungsmüdigkeit breit. Für Grohé endete das Verfahren im September 1950 mit einer Verurteilung zu vier Jahren und sechs Monaten, weil es das Gericht als erwiesen ansah, dass Grohé sehr wohl über die Einweisungen in Konzentrationslager, Deportation von Juden und Verschleppung von Zwangsarbeitern Bescheid wusste. Die ohnehin geringe Reststrafe wurde ihm nach einem auch von Kardinal Joseph Frings unterstützten Gnadengesuch erlassen. Weitere Verfahren wurden 1952 bzw. 1958 eingestellt.
Nach seiner Haftentlassung 1950 fasste Grohé in der Nachkriegsgesellschaft Fuß. Die Familie ließ sich erneut in Köln nieder und der ehemalige Gauleiter arbeitete als Handelsvertreter. Er trat in der Öffentlichkeit nicht mehr hervor, versteckte sich aber nicht. Vier Jahre vor seinem Tod gab er ein Interview, in dem er einschlägige Fragen abblockte und auch nicht um den Eindruck bemüht war, von alten Überzeugungen Abschied genommen zu haben.
Literatur
- Achim R. Baumgarten, Josef Grohé – der Gauleiter aus dem Hunsrück, in: Hunsrücker Heimatblätter 89 (1993), S. 410-415.
- Birte Klarzyk, Vom NSDAP-Gauleiter zum bundesdeutschen Biedermann: der Fall Josef Grohé, in: Schlagschatten auf das „braune Köln“. Die NS-Zeit und danach, hrsg. von Jost Dülffer, Margit Szöllösi-Janze, Köln 2010 (Veröffentlichungen des Köln. Geschichtsvereins, 49), S. 307-326.
- Rolf Zerlett, Josef Grohé (1902-1987), in: Rheinische Lebensbilder 17, hrsg. von Franz-Josef Heyen, Köln 1997, S. 247-276.
Rudolf Zimmer, Buch
Heft 148 | Stand: 10/2011